Bierzauberers Haberdashery No. 14: Die Glotze.

Ich sehe immer weniger fern. Das hat verschiedene Gründe. Einer davon ist Netflix, weil ich mir da die Uhrzeit aussuchen kann, wann ich was schaue. Ist einfach praktisch. Ein anderer ist sicher die nervige Werbung, bei der ich wirklich nicht genau sagen kann, für wie blöd die Macher ihre Kunden halten, und ob das immer schon so war. Auch hier: Pluspunkt für Netflix. Ich habe mich nie für Werbung begeistern können (wer tut das überhaupt?), aber ich habe den Eindruck, dass die fortschreitende Verblödung der Nation am Besten am Niveau der Werbung festzumachen ist. Erstaunlich finde ich dabei die Tatsache, dass überhaupt nichts dämlich genug sein kann, um nicht doch noch irgendwo ein Budget von ein paar hunderttausend Euro aufzutun, um es ins TV zu bringen. Anscheinend geben die Resultate den Machern aber recht, womit wir wieder beim Thema ‚fortschreitende Verblödung‘ sind. Ein Teufelskreis. Und beim nächsten Grund: Die Inhalte. Ich habe in der Vorweihnachtszeit einmal, wirklich nur ganz versehentlich, auf eine Show von und mit Florian Silbereisen gezappt, und bin da wirklich ganz fasziniert hängen geblieben. Was für eine Parallelwelt! Unglaublich, was sich da für Abgründe auftun, diese Gesichter, Kostüme, Grimassen, Gesänge und Dekorationen, allein auf der Bühne. Im Publikum sieht es mindestens genau so schlimm aus. Man singt schon vor dem ersten Advent Weihnachtslieder, und das mit einer süßlichen, überzuckerten Verlogenheit, die atemberaubend ist. Aber offenbar bei den Menschen ankommt, von denen sich viele wohl keinen anderen Ausbruch aus ihrer Alltagswirklichkeit vorstellen können. Meiner Meinung nach ist ein Film von Quentin Tarantino um Einiges näher dran an der Realität als eine Show von Florian Silbereisen. Und diese ‚Inhalte‘ nehmen leider immer mehr zu. Die Sachen, die mich interessieren, wie gute Sportübertragungen, unterhaltsame Talkshows, gut recherchierte Dokus, die gibt es immer weniger im frei empfangbaren TV. Gute Filme, siehe Netflix. Nachrichten sind aktueller im Internet, auf ein Sport-Abo beim einem Pay-TV habe ich keine Lust, und bei Talkshows wird nur noch inhaltsleer rumgeschrien – Klaus Kinski würde im Grab rotieren! Bleibt nur noch die Sportschau, und ab und zu eine anständige Quiz Show. Aber die Silbereisens dieser Welt brauche ich nicht…

BIERZAUBERERS Haberdashery No. 13: OK Boomer / Aus dem Arbeitsleben

Unsere Arbeitswelt hat sich zusammen mit der digitalen Revolution und der Globalisierung in den letzten zwanzig Jahren rasant gewandelt. Wobei es schwierig wird, hier Ursache und Wirkung zu erkennen. Auf jeden Fall sind die Zeiten vorbei, in der die meisten von uns, wie in unserer Elterngeneration, ein ganzes Leben lang einem Arbeitgeber, maximal zweien, die Treue hielten. Das, was man früher nur aus den USA kannte, diese Flexibilität bei der Arbeitssuche, ist mittlerweile fast schon Standard, zumindest gefordert, und auch zumindest bei den Jüngeren.

Das muss man nicht zwangsläufig positiv sehen. Genau wie einige andere Entwicklungen im Fahrwasser der o.g. Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt. Wenn man sich so umhört im Freundes- und Bekanntenkreis, dann gibt es einen einheitlichen Tenor: Es macht zunehmend weniger Freude.
Gehetztes Arbeitsklima, mangelnde Wertschätzung, kurzfristige Arbeitsverträge, Mobbing, Controller mit Zahlenfetischismus, es gibt viele Schlagworte dazu. Meist negative. Genau so wie es zahlreiche Empfehlungen gibt, wie man ein toxisches Arbeitsklima erkennen und bekämpfen kann. Z.B. Am hohen Krankenstand, hoher Fluktuation, innerer Kündigung bei vielen Mitarbeitern, etc. Es wäre so leicht, aber warum wird es so selten gemacht? Weil es niemanden mehr interessiert, eventuell? Oder weil es gar nicht so schlecht ist, ältere und länger dienende Mitarbeiter rauszuekeln, um sich an den Jüngeren schadlos zu halten.

Denn Interesse wecken wollen die Firmen dann andererseits auf den einschlägigen, digitalen Job-Plattformen mit Stellenanzeigen, die so formuliert sind, dass sich mir die Zehennägel aufrollen. Halt, nein, in Denglisch… with Job Descriptions that make me puke.

Beispiele gefällig: Die neuen Employees sollen Leads generieren, sei ein Game Changer, um voll dedicated die Brand Awareness für das innovative Portfolio zu raisen, du (niemals Sie!) brennen für ihren Future Employer (Geht‘s noch?), um auch beim digital Onboarding engaged zu sein und natürlich effektivst zu communicaten, dem strategischen Plan zu followen, ausserdem to nurture, grow and lead relationships mit relevanten Partnern, immer mit der Possibillity, bei genügend positivem Input zum Key Account Manager oder gar zum Associate aufzusteigen.

Und das alles für Salaries, die sogar ohne Inflationsbereinigung unter dem liegen, was man als Berufseinsteiger vor 25 Jahren bekam. Und natürlich nur mit befristetem Vertrag, heutzutage.

So sorry…

Da kann man nur froh sein, wenn die eigene berufliche Laufbahn bereits in den Orbit eingeschwenkt ist und man sich diesen sozialen und sprachlichen Mist nicht mehr antun muss.

Die Millennials tun mir leid.

OK, Boomer!

Bierzauberers Haberdashery Nr. 12: Über Aluhüte und Idioten

Diesmal geht es um die grassierend erodierende Diskussionskultur, und beileibe nicht nur in den sozialen Medien. Mir ist aufgefallen, dass in letzter Zeit – oder habe ich das nur vorher nicht bemerkt?- Leute ihre mehr oder weniger guten Argumente immer mehr mit irgendwelchen völlig absurden Unterstellungen untermauern wollen.
Nach dem Motto: Ich habe recht, und wenn du mir nicht zustimmst, dann ist dies das Ende der (wahlweise) Demokratie/Meinungsfreiheit/Toleranz.
Beispiele gefällig:
Ein Gesetz wird erlassen, über Verhaltensweisen bei der Hundehaltung, Hundeführung, Hundegassigehen, in der Öffentlichkeit. Gesetze über Hunde tragen ja leider immer den Keim der Ungerechtigkeit in sich, weil letzten Endes die Hunde immer das Ausbaden müssen, was ihre dummen Herrchen/Frauchen angestellt haben. Meist durch das beharrliche Ignorieren bereits vorhandener, oftmals vernünftiger Regelungen. Gegen Gesetze zu protestieren ist natürlich legitim. Aber wenn man gleich beim ersten Protest, also zu Beginn einer eventuellen Diskussion, die Behauptung mitliefert, man würde ja sowieso ignoriert werden, und das sei dem Meinungsterror geschuldet, und das Ende der Demokratie sei nahe, dann ist das einfach nur dämlich. Wer so argumentiert, will ja gar keine offene Diskussion, sondern nur rumjammern….
Noch ein Beispiel: Impfen.
Ich hatte vor einigen Tagen eine (aufgezwungene) Diskussion mit einer Dame, die sich im weiteren Verlauf nicht nur als Impfgegnerin, sondern als totale Impfignorantin herausstellte. Ihrer Meinung nach vergifte die ganze Impferei die Bevölkerung und brächte Millionen und Abermillionen Behinderte und Kranke hervor. Mein Einwand, dass man das bitte nicht so Schwarz-Weiß sehen sollte, schließlich hätte die medizinische Wissenschaft in den letzten 250 Jahren durch Impfungen doch Millionen Menschenleben gerettet, brachte die Dame so auf die Palme, dass sie mich anschrie, woraufhin ich ihr anbot, die Diskussion zu beenden. Ihre dreißig Jahre Amateur-Impfforschung (unbewiesene Behauptung) wogen für sie mehr als dreihundert Jahre medizinisch-wissenschaftlicher Fortschritt.
Amüsant sind dagegen schon beinahe die verzweifelten Versuche der Raucher, nicht völlig ins gesellschaftliche Abseits gedrängt zu werden. Anstatt sich einfach in eine stille Ecke zu verziehen und dort in Ruhe die letzten Zigaretten zu schmauchen, wird auch der – mittlerweile weltweit erfolgreiche- Nichtraucherschutz zum Meinungsterror hochstilisiert. Wenn es keine Sachargumente mehr gibt, wird halt polemisiert. Vernunftentscheidungen werden dann von den Unvernünftigen mit (Meinungs-)Diktatur gleichgesetzt.

Daher erlaube ich mir die pikant-süffisante Frage: Sollte man dummen Menschen wirklich eine Diktatur/ resp. Faschismus als Regierungsform wünschen? Das, was sie selbst offenbar gerne hätten, obwohl sie wahrscheinlich überhaupt keine Ahnung haben, wie das in der Realität aussähe. Natürlich nicht, denn wir wissen alle aus historischer Erfahrung, wie schwer man das wieder los wird. Hundescheisse am Schuh ist nichts dagegen.
Also werden wir wohl oder übel dumme Menschen als Kollateralschaden unserer offenen, toleranten Gesellschaft akzeptieren müssen. Ist wirklich das kleinere Übel. Und eines, dem man meist auch aus dem Weg gehen kann. Man darf, man kann, aber man muss mit Idioten ja zum Glück nicht diskutieren.

Bierzauberers Haberdashery Nr. 11: Es weihnachtet bald und sehr…

Das Schöne an unserer Konsumgesellschaft ist ja, dass es einem nie fad wird. (Fad bedeutet langweilig, in Österreich.) Das ganze Jahr ist inzwischen in Saisonen (ist der Plural korrekt?) aufgeteilt. Nur mal so, kurz zur Übersicht („Saison“ in sportlicher Hinsicht bleibt hier mal ganz außen vor):

Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter sind die Standards.

Weihnachten und Ostern die Klassiker.

Das reicht aber schon lange nicht mehr.

Die ersten Geschäfte legen ja bereits kurz nach Neujahr, um die Lücke der Weihnachtsdeko zu füllen, die Ostereier raus. Eine ganzganz kurze Saison dazwischen ist der doch recht neue Valentinstag, wobei ich immer noch Zweifel habe, ob sich ein Feiertag, wo es offiziell und vorrangig nicht ums Essen oder Trinken geht, in Österreich wirklich durchsetzen wird.

Dann sind erst mal Sommerferien. Neun lange, ätzend lange Wochen. Eine eigene Saison, unabhängig vom Sommer. Da wird das Urlaubsbudget auf den Kopf gehauen; die Kinder bekommen überdies teure Kurse spendiert, damit die Eltern das dazu nötige Geld verdienen können und ihre Kinder dazu anderweitig geldintensiv beschäftigen müssen. Ein irgendwie tautologischer Wirtschaftskreislauf.
In diese Sommersaison zwängt sich dann für Freunde der Offenen-Luft-Musik noch die Festivalsaison, mit Dutzenden Open-Airs und einer eigenen Konsumnische: Zelte, Musik-Shirts und matschresistentes Schuhwerk.

Sobald die Ferien vorbei sind, geht es nahtlos in den Winter über. Ob das Wetter passt, ist egal. Ab September liegen die ersten Spekulatiusse (Plural OK?) und Lebkuchen in den Geschäften aus. Ich glaube ja mittlerweile fest daran, dass es sich bei der Erstbestückung um abgelaufene Ware vom Vorjahr handelt, denn die kauft ja eh niemand. Ich kenne zumindest keinen vernunftbegabten Menschen, der im September schon Weihnachtsgebäck bunkert. Wenn ihr jemand kennt, meldet euch bitte bei mir, damit ich um diese Person einen großen Bogen machen kann.
Ab Oktober gibt es dann Christstollen.

In einem Katalog, der diese Tage bei mir in der Post war, kann man Heavy-Metal-Weihnachtspullover bestellen, mit AC/DC und „Fucking Merry Christmas“ drauf stehen. Die sehr weihnachtsaffinen Bands Black Sabbath oder Motörhead gehen auch. Wie darf man das nennen? Mode ist das ja nicht. Und in der erweiterten Familie würde ich mich so nicht präsentieren wollen…

Ausklingen lassen wir das Konsumjahr dann mit dem Silvestertag. Fröhliches Geballere, Rumgefeiere und Gereihere, an keinem Tag lässt sich Geld sinnloser verpulvern als am letzten Tag des Jahres. Wobei man mit dem Geldausgeben dafür auch schon im November beginnen kann, da ist Saisonstart für Silvester.

Nebenbei gibt es noch, ausser dem Valentinstag, ein paar andere, mehr (Sturmsaison & Grillsaison!) oder weniger (Halloween) lange und wichtige Saisonziele, die mittlerweile aber genau so hochprofessionell vermarktet werden wie die Klassiker Weihnachten und Ostern. Mein ganz besonderer Dank geht dabei an die Firma Weber wg. Grillsaison, Stichwort: Ganzjährig.
(Sturm ist frischer Jungwein, wie Federweißer in Deutschland.)

Richtig Zukunft in Österreich haben meiner Meinung nach aber nur Sturm & Grill, aber nicht nur, weil es nach „Sturm & Drang“ ein wenig klassisch nachhallt. Sondern, weil es da primär und nur ums Essen und Trinken geht.

Und das können wir doch immer noch am Besten!

Bierzauberers Haberdashery Nr. 10: Über Hubraum und Plato

„Hubraum“ ist ein Wort, das man im Alltag eher selten hört, es sei denn, man arbeitet in einer Autowerkstatt oder fährt Autorennen. Dennoch weiss so ziemlich jeder, was damit gemeint ist. Oder glaubt es zu wissen. Zumindest ganz, ganz grob.

Als Kinder haben wir oft und gerne Autoquartett gespielt. Das Auto mit den besten technischen Daten hat immer gewonnen. Und Hubraum war immer wichtig. Je mehr, desto besser. Das hubraumstärkste Fahrzeug war im Grunde unschlagbar. Wobei ich mir nicht mehr sicher bin, dass wir Knirpse damals wirklich wussten, was dieser ominöse Hubraum wirklich war. Auf jeden Fall war es etwas ungeheuer Positives, das musste was wirklich Tolles sein, so ein Hubraum, wenn man damit ein Quartettspiel gewinnen konnte. Auch später, als mein technisches Verständnis gewachsen war, fand ich es sehr spannend, einen Motor zu sezieren, das Spiel der Kolben, ihrer Verdrängung und ihres Hubs (sic!) – in eben diesem Hubraum. Mit allem Gebrumme, Geröhre und Getöse, was halt so dazu gehört, je nach Zylinderanzahl und Kapazität.

Machen wir nun einen Sprung vom positiven Hubraum meiner Kindheit in die triste Gegenwart dieses Wortes.

Nicht alle sind mit dem Klimawandel einverstanden – ich auch nicht, ich nehme aber trotzdem mal an, dass die Wissenschaftler nicht gänzlich daneben liegen, auf deren Seite sich die kleine Greta geschlagen hat. (Umgekehrt natürlich auch.) Von „nicht einverstanden“ bis „leugnen“ ist es allerdings ein sehr weiter Schritt, und die nächste Konsequenz, der nächste Schritt in die falsche Richtung, ist dann die „Bekämpfung der Klimawandel-Mahner“. In dieser ungustiösen Umgebung befindet sich jetzt leider auch der Hubraum. Besetzt und gekapert von radikalen Automobilisten, um ihre Pfründe fürchtenden Autoverkäufern, Umweltignoranten und ultrarechten Vollidioten: Es ist wirklich eine unheilige Allianz, die derzeit medial, brunzdumm, lautstark und zynisch bis pseudo-ironisch ihr Recht auf weitere Umweltzerstörung unter dem Motto „Fridays for Hubraum“ einfordert. (Am Rande: Die gleichen Leute kleben sich neben den Auspuff ihrer Lieblinge auch gerne „Fuck-you-Greta“-Sticker. Aber das ist eine andere Geschichte.)

Hier bietet sich nun ein kleiner Einschub aus der griechischen Philosophie an: Nämlich Platos Protagoras, eine seiner früheren Schriften, die man im Grunde nicht unbedingt kennen muss. Interessant ist dieses Werk aber aufgrund der Diskussion um das Wort Akrasie, einer sehr speziellen Art von Willensschwäche. Ich zitiere die allwissende Wikipedia: „Dabei geht es um ein Handeln gegen ein Urteil des Handelnden, dem zufolge ein anderes Verhalten möglich ist und besser wäre. Untersucht wird die Problematik einer Entscheidung, bei der man das Ergebnis eigener Überlegungen missachtet, obwohl man annimmt, dass dies zu überwiegend schädlichen Konsequenzen führen wird.“ Auf gut Deutsch: Akrasie ist Handeln wider besseres Wissen.

Kann mal auch laut dazu sagen: Ein bisschen akratisch sind wir doch alle. Mal mehr, mal weniger. Alles andere wäre doch geheuchelt. Allerdings ist es bei voran genannten eher mehr. „Fridays for Hubraum“ und Platos Protagoras: Im Jahr 2019 wächst zusammen, was zusammen gehört.

Aber dieser offensichtliche Kulturkampf „Fridays for Future“ versus „Friday for Hubraum“ stimmt mich auch sonst sehr traurig, nicht nur aus politischen Gründen.

Denn der plakative Gegensatz, das Gegenteil von Zukunft, ist im Moment der Hubraum. Hubraum ist die Vergangenheit. Die immer noch einen verheerenden, zerstörerischen Einfluß auf die Zukunft hat.

Ich werde auch nie wieder Autoquartett spielen. Sollte aber mehr Plato lesen.

Bierzauberers Haberdashery Nr. 9: It‘s a mad, mad world

Heute will ich euch eine kleine Geschichte erzählen, darüber, wie unsere Welt anscheinend heute funktioniert. Die Geschichte ist sogar wahr!
Neulich habe ich neue Visitenkarten bestellen müssen. Diese kleinen Kärtchen, die einem selbst und allen anderen ständig vor Augen halten, wie toll und wichtig man ist. Visitenkarten, so was sollte jede Druckerei können, also ist es im Grunde nur eine Frage des Preises. Ich landete letzten Endes, nicht nur aus Gründen nachhaltiger Überlegung, bei einer Druckerei bei mir in der Nähe. Nur zwanzig Kilometer entfernt. Wo ich auch schon andere Sachen bestellt hatte. Warum denn in die Ferne schweifen? Think global. Buy local. Das Angebot „ECO“ klang auch gut, da schwingt ja auch das Wort „Ökologie“ durch, oder war es am Ende doch nur „ökonomisch“?
Bestellt, bezahlt, und in einer Woche sollten die Karten da sein. Für so ein kleines Päckchen lohnte sich das Abholen nicht, der Versand für fünf Euro war sinnvoller.

Das Päckchen wurde dann – natürlich, falsch zugestellt, der DHL-Mensch gab das Paket irgendwo in der Nachbarschaft ab, bestätigte aber auf dem Paketschein, dass ich es persönlich in Empfang genommen hätte.

Kennen wir doch alle, sind ja auch nur Menschen…
Meine Reklamation machte es alsdann erforderlich, einen so genannten Tracking-Record zu bekommen. Und jetzt nimmt die Geschichte Fahrt auf. Denn danach habe ich bei der Druckerei angerufen und sie gefragt, ob sie noch ganz dicht sind. Mein Kartendruckauftrag wurde nämlich aus Kostengründen nach Italien ausgelagert, dort gedruckt, dann mit dem Flugzeug von Venedig nach Bratislava (Slowakei) geflogen. Von dort ging die Reise weiter nach Deutschland, Leipzig, um genau zu sein. Von Leipzig nach Wien war nur ein Katzensprung, um dann meine Karten die letzten Kilometer nach Brunn/Geb. mit dem LKW zu befördern. Vier Länder, drei Flüge, knapp zweitausend Kilometer Weg, meine Visitenkarten haben wirklich schon die Welt gesehen.
Und ECO? War wohl weder das eine noch das andere.
In Zukunft frage ich vorher nach, WO letztendlich produziert wird…

Bierzauberers Haberdashery Nr. 8: Soziale Medien

Hach, was könnte man alles über dieses Thema schreiben! Über durchgeknallte Kommentatoren, abseitige Postings zu noch abseitigeren Belangen oder alberne Tierbilder. Was mich allerdings zuletzt mehr und mehr fasziniert, ist die Sprache-Bild-Schere. Wenn man das so nennen kann. Ich bin nun mal überhaupt kein audiovisueller Typ. Wenn ein Posting nur aus einem Video besteht, ignoriere ich es. Ich will was LESEN! Ohne was dabei zu hören. Alles, was man nur in bewegten Bildern sieht und hört, ist flüchtig, und im selben Moment vergessen, in dem das Video endet. Leider wird diese Art, seine Kommentare abzugeben, immer populärer. Anscheinend ist es einfacher, in eine laufende Handykamera irgendwas reinzuquatschen, als einen guten Gedanken in eine ansprechende sprachliche Form zu gießen. Willkommen im Youtube-Zeitalter!
In den gleichen Kontext gehören meines Erachtens Statusmeldungen, am Liebsten Fotos oder Karikaturen, die von anderen übernommen werden, quasi vorgedacht, und dann unkommentiert weiter gegeben werden. Besonders witzig finde ich es, wenn dann dabei der sinnige Kommentar steht: „Kein weiterer Kommentar nötig“, oder ähnlich. Polyglotte Nutzer der Sozialmedien schreiben das gerne auch in Englisch. Ich gebe mal eine Übersetzungshilfe. „Kein Kommentar nötig“ bedeutet eigentlich: „Ich finde dieses Bild so krass/eindringlich/bestürzend/supi (bitte auswählen), dass ich euch das einfach zeigen muss. Denn was Greta/Trump/Strache/Kurz/Merkel (bitte auswählen) hier tun, ist echt krass/eindringlich/bestürzend/supi (bitte auswählen). Und weil das tatsächlich so krass/eindringlich/bestürzend/supi (bitte auswählen) ist, muss ich hier gar keinen Kommentar abgeben, denn ihr erkennt ja selbst, wie krass/eindringlich/bestürzend/supi (bitte auswählen) das Ganze wirklich ist.“
So geht das. Kein weiterer Kommentar.

Bierzauberers Haberdashery Nr. 7: Sommerfreuden

Dieser Kommentar entstand im Hochsommer. Die Aktualität gilt aber noch. Sobald dieTemperaturen 25 Grad überschreiten, und das geht in Österreich derzeit noch schneller als in Deutschland, zeigen Herr und Frau Österreicher gerne, was sie haben. Nein, nicht was Sie denken! Keine Protzcabrios oder Yachten, keine riesigen Pools mit Barbeque-Parties. Das Motto ist eher: Weniger ist mehr.

Die kurzen Hosen, die noch kürzeren Röcke, die engen Radlerhosen, meist noch ungünstig gepaart mit Spaghettiträgern, werden dann aus dem Kleiderschrank gekramt und stolz zu Schau gestellt. Problematisch wird das dann schon mit der Ästhetik. Wenn der Körper sich partout nicht der gewünschten Sommerkleidung anpassen möchte; wenn Haare überall dort zu sehen sind, wo sie im Winter vom Stoff gnädig verhüllt werden; wenn das überzählige Fleisch aus der kurzen Leggings quillt; wenn weiße, dünne, haarige, oftmals noch ungünstig (kariert!) bestrumpfte Männerwadeln den Blick entsetzt abwenden lassen – am Schlimmsten in Kombination mit der anscheinend unausrottbaren, furchtbaren Dreiviertelhose; wenn die Herren glauben, ein ärmelloses Tanktop, womöglich noch aus weißem Feinripp, mache sexy, dann bin ich sicher (und hoffentlich) nicht der Einzige, der sich da mit Grausen abwendet.

Und fragt: Was macht das Spiegel-produzierende Gewerbe falsch, da anscheinend niemand mehr einen besitzt zuhause? Ich jedenfalls habe als Konsequenz beschlossen, Wertpapiere Spiegel-produzierender Unternehmen sofort und umgehend aus meinem persönlichen Börsendepot zu entfernen.

Jaja ich weiß, Body-Shaming ist politisch unkorrekt. Was ich meine, ist jedoch eher „Fashion-Shaming“ wenn es denn dieses Wort schon gibt. Wenn zu alldem auch noch die Abneigung vieler Menschen kommt, vor ihrem ersten Tagesauftritt in die Öffentlichkeit, zum Beispiel vor dem morgendlichenEinsteigen in die U-Bahn, ein Minimum an körperhygienischen Maßnahmen durchzuführen, dann kann ich aber leider nicht anders.Es gibt mittlerweile eigene Blogs zu diesem Thema, also zu „Körperhygiene in den öffentlichen Verkehrsmitteln Wiens“, und vor nicht allzu langer Zeit verschenkten einige Wiener PolitikerInnen sogar werbewirksam Deodorant in den Wiener Linien. Wenn es nicht so traurig wäre, so müsste man glatt darüber lachen.

Was mich aber in Österreich wirklich und endgültig irritiert, und es wird immer schlimmer Jahr für Jahr, ist die Sommer-Business-Etikette, speziell für Herren. Und nicht nur bei uns im Büro, wo ich neben unserer Geschäftsleitung tatsächlich der einzige Mann bin, der derzeit, bei diesem Wetter, mit langen Hosen zur Arbeit kommt. (Im klimatisierten Büro lässt sich das ja eh gut aushalten.) Fast überall wird man kurzbehost empfangen. Und ich sag mal so: Wenn ich ein Kunde wäre, und ich hätte Kontakt mit jemandem, dem ich etwas abkaufen wollte, von dem ich Beratung erwarten würde, oder irgendeine sonstwie geartete Dienstleistung, und er empfinge mich mit kurzen Hosen, Socken und weißen Wadeln – für die Damen gelten da offenbar ganz andere Regeln -, ich würde doch ein ganz kleines bisschen an der Ernsthaftigkeit und Seriosität meines Gegenübers zweifeln.

Außer ich bin beim Tätowierer oder im Surfshop…

Bierzauberers Haberdashery Nr. 6: Über Craftbier

Machen wir mal einen Ausflug in mein ureigenstes Metier: Bier. Genauer: Craftbier. Sie wissen nicht, was das ist? Dann sind sie in guter Gesellschaft. Gefühlt 108 % aller Deutschen können mit dem Begriff nichts anfangen. Obwohl die Sache so neu auch wieder nicht ist. Das Ganze hat in den 70er Jahren in den USA angefangen, als Protest gegen die einförmigen, eher geschmacksneutralen Massenbiere, die man nur eiskalt genießen kann. Dort haben sich in den letzten Jahrzehnten tausende neuer, kleiner und großer Brauereien etabliert, von denen viel wirklich gute, spannende, geschmacksintensive Biere abliefern. (Viele auch nicht, aber das ist ein anderes Thema. Die Masse macht’s.) Diese Biere werden, weil (angeblich) handwerklich gebraut, nach dem englischen Wort für Handwerk „Craft“ genannt. Wobei die Definition, was Handwerk ist und ausmacht, ganze Bücher füllen würde, ohne einen Konsens zu finden.

Irgendwann kamen dann auch in Europa Brauer, und solche, die sich dafür halten, auf den Gedanken, mal andere Biere zu brauen. Der Unterschied war nur: Die Mitteleuropa, speziell in Deutschland, Tschechien, Belgien oder Österreich, ist die Bierauswahl traditionell und sowieso schon gigantisch groß. Viele Brauereien, noch mehr Sorten, hohe Qualität, und das zu einen Preisniveau, das nicht viel Luft nach unten lässt. Wo will man da reinstoßen, marketingtechnisch?

Nun sind wir beim Thema.

Denn eines kann man sicher sagen: Es gibt in Deutschland mittlerweile viele sehr gute Craftbiere. Schlechte natürlich auch. Aber wer kauft diese Biere? Und wo? Ein ganz großes Dilemma dieser ganzen Craftbier-Szene ist nämlich: Die Leute, die sich am Meisten dafür interessieren, die echten Bier-Nerds, sind immer weniger bereit, mehr Geld für diese Craftbiere auszugeben. Man kennt sich ja aus, hat seine Connections, ist mit manchem Brauer auf Du und Du, warum soll man da zum Händler gehen, der eventuell noch Geld verdienen will. GELD! VERDIENEN! Das scheint unmoralisch zu sein, denn seit ihren Anfängen umweht die Craftbier-Szene in Deutschland der Ruch des unbeschwerten Idealismus. Ideale sind wichtig, wenn man sie sich leisten kann. Aber ohne Geld zu verdienen, wird über kurz oder lang auch die idealistischste Brauerei dicht machen. Und die Händler gleich dazu. Dabei braucht man Investoren, um nicht nur in die Technik, sondern auch und ganz besonders in den Vertrieb zu investieren.

Was mich dabei besonders stört, ist die Wertung vieler Bier-Nerds in gutes und schlechtes Geld. Wenn das Geld z.B. von einer größeren Brauerei kommt, ist es mal gleich schlecht. Als ob Geld eine Moral besäße! Geld von Banken wird erstaunlicher Weise nie auf diese Weise diskutiert, dabei halte ich das Gebaren der meisten Geldinstitute für erheblich fragwürdiger als das der Brauereien.  

Unterm Strich läuft das meines Erachtens auf eine Entwicklung hinaus, die der ganzen Bewegung nicht gut tut, und sogar ihr Ende einläuten könnte.

Denn die Fakten sind:

  • Traditionelles Bier ist gut und günstig.
  • Craftbier ist oft gut, aber selten günstig.
  • Traditionelles Bier hat gute Vertriebsstrukturen, gibt es in jedem Geschäft und an jeder Tankstelle.
  • Craftbier gibt es oft nur beim Spezialisten, selten im Supermarkt und noch weniger an der Tankstelle.

Daher meine Schlußfolgerung:

Wenn Craftbier überleben möchte, muss es sich schnell an das traditionelle Bier anpassen, denn so sind die Verbrauchergewohnheiten nun mal. Entweder beim Preis oder beim Vertrieb. Vertrieb ist wohl einfacher. Aber dazu müssen die echten Bierfans mit guten Beispiel voran gehen. Und da sehe ich noch viel Luft nach oben…

Bierzauberers Haberdashery Nr. 5: Von Wurmlöchern und Servicewüsten

Ich finde dieses Internet ja immer noch sehr spannend, auch nach all den vielen Jahren. Zum Beispiel seine Gegensätze. Die Unmittelbarkeit, und ihr Gegenstück, die enorme Schläfrigkeit. Wobei es da aber immer genau darauf ankommt, ob ich was haben möchte, oder ob ich was abgeben soll. Geld zum Beispiel.

Abbuchungen von meinem Konto gehen ja immer ruckzuck, während ich bei Gutschriften ständig die Standardformulierung (vielleicht ebenfalls eine Erfindung von Tim Berners-Lee, dem nach der Erfindung des Internets todlangweilig wurde?) gemailt bekomme, dass die Erstattung aus technischen Gründen mindestens vier Wochen dauern wird. Verstehe das, wer will.

Ich bin daher mittlerweile dazu übergegangen, die mir genehmen Lieferanten nicht mehr primär nach Produkt und Preis auszusuchen, sondern auch vorher die Lieferbedingungen abzuchecken. Eine Firma, die gegen Rechnung liefert, auch bei mir als Erstkunde, die mir also so viel Vertrauen entgegen bringt, dass sie erst liefern, mich die Ware prüfen lassen und dann erst Geld haben will, so eine Firma kann per se so schlecht nicht sein.

Wobei der Big A insofern eine Ausnahme ist, als dass man da beim Versand zahlt, aber dennoch als Kunde im Reklamationsfall gut behandelt wird. Es gibt andere Gründe, warum ich dort immer weniger bestelle, vor Allem keine Bücher mehr.

Herzerfrischend finde ich auch die Vorgehensweise der Banken. Wer, wie ich, in zwei Ländern Bankkonten unterhält, muss halt ab und zu mal Geld von D nach A oder andersherum überweisen. Und wie geht das: Das Geld verschwindet SOFORT vom einen Konto, in der gleichen Sekunde, hält sich aber dann mindestens 24 Stunden im Nirwana, Orkus oder sonst wo auf, um dann später auf dem anderen Konto aufzutauchen. Manchmal dauert es auch zwei bis drei Tage. Das verstehe ich nicht. Überweisungen laufen mit Lichtgeschwindigkeit, läuft mein Geld also in 24 Stunden also 90 Mal zur Sonne und zurück? Verschwindet es in dieser Zeit in einem Wurmloch? Um Wurmlochzinsen zu generieren? Was genau passiert damit? Wo ist es? Legt die Bank es in der Zeit gewinnbringend an, in Sonnenenergie zum Beispiel? Fragen über Fragen. Ohne Antworten…

Dabei wünsche ich mir, dass ganz andere Dinge, oder auch gewisse Menschen in Wurmlöchern verschwinden könnten. Die bräuchten dann gar nicht wieder aufzutauchen. Und Zinsen will ich da auch keine…