Bierzauberers Haberdashery Nr. 7: Sommerfreuden

Dieser Kommentar entstand im Hochsommer. Die Aktualität gilt aber noch. Sobald dieTemperaturen 25 Grad überschreiten, und das geht in Österreich derzeit noch schneller als in Deutschland, zeigen Herr und Frau Österreicher gerne, was sie haben. Nein, nicht was Sie denken! Keine Protzcabrios oder Yachten, keine riesigen Pools mit Barbeque-Parties. Das Motto ist eher: Weniger ist mehr.

Die kurzen Hosen, die noch kürzeren Röcke, die engen Radlerhosen, meist noch ungünstig gepaart mit Spaghettiträgern, werden dann aus dem Kleiderschrank gekramt und stolz zu Schau gestellt. Problematisch wird das dann schon mit der Ästhetik. Wenn der Körper sich partout nicht der gewünschten Sommerkleidung anpassen möchte; wenn Haare überall dort zu sehen sind, wo sie im Winter vom Stoff gnädig verhüllt werden; wenn das überzählige Fleisch aus der kurzen Leggings quillt; wenn weiße, dünne, haarige, oftmals noch ungünstig (kariert!) bestrumpfte Männerwadeln den Blick entsetzt abwenden lassen – am Schlimmsten in Kombination mit der anscheinend unausrottbaren, furchtbaren Dreiviertelhose; wenn die Herren glauben, ein ärmelloses Tanktop, womöglich noch aus weißem Feinripp, mache sexy, dann bin ich sicher (und hoffentlich) nicht der Einzige, der sich da mit Grausen abwendet.

Und fragt: Was macht das Spiegel-produzierende Gewerbe falsch, da anscheinend niemand mehr einen besitzt zuhause? Ich jedenfalls habe als Konsequenz beschlossen, Wertpapiere Spiegel-produzierender Unternehmen sofort und umgehend aus meinem persönlichen Börsendepot zu entfernen.

Jaja ich weiß, Body-Shaming ist politisch unkorrekt. Was ich meine, ist jedoch eher „Fashion-Shaming“ wenn es denn dieses Wort schon gibt. Wenn zu alldem auch noch die Abneigung vieler Menschen kommt, vor ihrem ersten Tagesauftritt in die Öffentlichkeit, zum Beispiel vor dem morgendlichenEinsteigen in die U-Bahn, ein Minimum an körperhygienischen Maßnahmen durchzuführen, dann kann ich aber leider nicht anders.Es gibt mittlerweile eigene Blogs zu diesem Thema, also zu „Körperhygiene in den öffentlichen Verkehrsmitteln Wiens“, und vor nicht allzu langer Zeit verschenkten einige Wiener PolitikerInnen sogar werbewirksam Deodorant in den Wiener Linien. Wenn es nicht so traurig wäre, so müsste man glatt darüber lachen.

Was mich aber in Österreich wirklich und endgültig irritiert, und es wird immer schlimmer Jahr für Jahr, ist die Sommer-Business-Etikette, speziell für Herren. Und nicht nur bei uns im Büro, wo ich neben unserer Geschäftsleitung tatsächlich der einzige Mann bin, der derzeit, bei diesem Wetter, mit langen Hosen zur Arbeit kommt. (Im klimatisierten Büro lässt sich das ja eh gut aushalten.) Fast überall wird man kurzbehost empfangen. Und ich sag mal so: Wenn ich ein Kunde wäre, und ich hätte Kontakt mit jemandem, dem ich etwas abkaufen wollte, von dem ich Beratung erwarten würde, oder irgendeine sonstwie geartete Dienstleistung, und er empfinge mich mit kurzen Hosen, Socken und weißen Wadeln – für die Damen gelten da offenbar ganz andere Regeln -, ich würde doch ein ganz kleines bisschen an der Ernsthaftigkeit und Seriosität meines Gegenübers zweifeln.

Außer ich bin beim Tätowierer oder im Surfshop…

Bierzauberers Haberdashery Nr. 6: Über Craftbier

Machen wir mal einen Ausflug in mein ureigenstes Metier: Bier. Genauer: Craftbier. Sie wissen nicht, was das ist? Dann sind sie in guter Gesellschaft. Gefühlt 108 % aller Deutschen können mit dem Begriff nichts anfangen. Obwohl die Sache so neu auch wieder nicht ist. Das Ganze hat in den 70er Jahren in den USA angefangen, als Protest gegen die einförmigen, eher geschmacksneutralen Massenbiere, die man nur eiskalt genießen kann. Dort haben sich in den letzten Jahrzehnten tausende neuer, kleiner und großer Brauereien etabliert, von denen viel wirklich gute, spannende, geschmacksintensive Biere abliefern. (Viele auch nicht, aber das ist ein anderes Thema. Die Masse macht’s.) Diese Biere werden, weil (angeblich) handwerklich gebraut, nach dem englischen Wort für Handwerk „Craft“ genannt. Wobei die Definition, was Handwerk ist und ausmacht, ganze Bücher füllen würde, ohne einen Konsens zu finden.

Irgendwann kamen dann auch in Europa Brauer, und solche, die sich dafür halten, auf den Gedanken, mal andere Biere zu brauen. Der Unterschied war nur: Die Mitteleuropa, speziell in Deutschland, Tschechien, Belgien oder Österreich, ist die Bierauswahl traditionell und sowieso schon gigantisch groß. Viele Brauereien, noch mehr Sorten, hohe Qualität, und das zu einen Preisniveau, das nicht viel Luft nach unten lässt. Wo will man da reinstoßen, marketingtechnisch?

Nun sind wir beim Thema.

Denn eines kann man sicher sagen: Es gibt in Deutschland mittlerweile viele sehr gute Craftbiere. Schlechte natürlich auch. Aber wer kauft diese Biere? Und wo? Ein ganz großes Dilemma dieser ganzen Craftbier-Szene ist nämlich: Die Leute, die sich am Meisten dafür interessieren, die echten Bier-Nerds, sind immer weniger bereit, mehr Geld für diese Craftbiere auszugeben. Man kennt sich ja aus, hat seine Connections, ist mit manchem Brauer auf Du und Du, warum soll man da zum Händler gehen, der eventuell noch Geld verdienen will. GELD! VERDIENEN! Das scheint unmoralisch zu sein, denn seit ihren Anfängen umweht die Craftbier-Szene in Deutschland der Ruch des unbeschwerten Idealismus. Ideale sind wichtig, wenn man sie sich leisten kann. Aber ohne Geld zu verdienen, wird über kurz oder lang auch die idealistischste Brauerei dicht machen. Und die Händler gleich dazu. Dabei braucht man Investoren, um nicht nur in die Technik, sondern auch und ganz besonders in den Vertrieb zu investieren.

Was mich dabei besonders stört, ist die Wertung vieler Bier-Nerds in gutes und schlechtes Geld. Wenn das Geld z.B. von einer größeren Brauerei kommt, ist es mal gleich schlecht. Als ob Geld eine Moral besäße! Geld von Banken wird erstaunlicher Weise nie auf diese Weise diskutiert, dabei halte ich das Gebaren der meisten Geldinstitute für erheblich fragwürdiger als das der Brauereien.  

Unterm Strich läuft das meines Erachtens auf eine Entwicklung hinaus, die der ganzen Bewegung nicht gut tut, und sogar ihr Ende einläuten könnte.

Denn die Fakten sind:

  • Traditionelles Bier ist gut und günstig.
  • Craftbier ist oft gut, aber selten günstig.
  • Traditionelles Bier hat gute Vertriebsstrukturen, gibt es in jedem Geschäft und an jeder Tankstelle.
  • Craftbier gibt es oft nur beim Spezialisten, selten im Supermarkt und noch weniger an der Tankstelle.

Daher meine Schlußfolgerung:

Wenn Craftbier überleben möchte, muss es sich schnell an das traditionelle Bier anpassen, denn so sind die Verbrauchergewohnheiten nun mal. Entweder beim Preis oder beim Vertrieb. Vertrieb ist wohl einfacher. Aber dazu müssen die echten Bierfans mit guten Beispiel voran gehen. Und da sehe ich noch viel Luft nach oben…

Bierzauberers Haberdashery Nr. 5: Von Wurmlöchern und Servicewüsten

Ich finde dieses Internet ja immer noch sehr spannend, auch nach all den vielen Jahren. Zum Beispiel seine Gegensätze. Die Unmittelbarkeit, und ihr Gegenstück, die enorme Schläfrigkeit. Wobei es da aber immer genau darauf ankommt, ob ich was haben möchte, oder ob ich was abgeben soll. Geld zum Beispiel.

Abbuchungen von meinem Konto gehen ja immer ruckzuck, während ich bei Gutschriften ständig die Standardformulierung (vielleicht ebenfalls eine Erfindung von Tim Berners-Lee, dem nach der Erfindung des Internets todlangweilig wurde?) gemailt bekomme, dass die Erstattung aus technischen Gründen mindestens vier Wochen dauern wird. Verstehe das, wer will.

Ich bin daher mittlerweile dazu übergegangen, die mir genehmen Lieferanten nicht mehr primär nach Produkt und Preis auszusuchen, sondern auch vorher die Lieferbedingungen abzuchecken. Eine Firma, die gegen Rechnung liefert, auch bei mir als Erstkunde, die mir also so viel Vertrauen entgegen bringt, dass sie erst liefern, mich die Ware prüfen lassen und dann erst Geld haben will, so eine Firma kann per se so schlecht nicht sein.

Wobei der Big A insofern eine Ausnahme ist, als dass man da beim Versand zahlt, aber dennoch als Kunde im Reklamationsfall gut behandelt wird. Es gibt andere Gründe, warum ich dort immer weniger bestelle, vor Allem keine Bücher mehr.

Herzerfrischend finde ich auch die Vorgehensweise der Banken. Wer, wie ich, in zwei Ländern Bankkonten unterhält, muss halt ab und zu mal Geld von D nach A oder andersherum überweisen. Und wie geht das: Das Geld verschwindet SOFORT vom einen Konto, in der gleichen Sekunde, hält sich aber dann mindestens 24 Stunden im Nirwana, Orkus oder sonst wo auf, um dann später auf dem anderen Konto aufzutauchen. Manchmal dauert es auch zwei bis drei Tage. Das verstehe ich nicht. Überweisungen laufen mit Lichtgeschwindigkeit, läuft mein Geld also in 24 Stunden also 90 Mal zur Sonne und zurück? Verschwindet es in dieser Zeit in einem Wurmloch? Um Wurmlochzinsen zu generieren? Was genau passiert damit? Wo ist es? Legt die Bank es in der Zeit gewinnbringend an, in Sonnenenergie zum Beispiel? Fragen über Fragen. Ohne Antworten…

Dabei wünsche ich mir, dass ganz andere Dinge, oder auch gewisse Menschen in Wurmlöchern verschwinden könnten. Die bräuchten dann gar nicht wieder aufzutauchen. Und Zinsen will ich da auch keine…