Bierzauberers Haberdashery Nr. 6: Über Craftbier

Machen wir mal einen Ausflug in mein ureigenstes Metier: Bier. Genauer: Craftbier. Sie wissen nicht, was das ist? Dann sind sie in guter Gesellschaft. Gefühlt 108 % aller Deutschen können mit dem Begriff nichts anfangen. Obwohl die Sache so neu auch wieder nicht ist. Das Ganze hat in den 70er Jahren in den USA angefangen, als Protest gegen die einförmigen, eher geschmacksneutralen Massenbiere, die man nur eiskalt genießen kann. Dort haben sich in den letzten Jahrzehnten tausende neuer, kleiner und großer Brauereien etabliert, von denen viel wirklich gute, spannende, geschmacksintensive Biere abliefern. (Viele auch nicht, aber das ist ein anderes Thema. Die Masse macht’s.) Diese Biere werden, weil (angeblich) handwerklich gebraut, nach dem englischen Wort für Handwerk „Craft“ genannt. Wobei die Definition, was Handwerk ist und ausmacht, ganze Bücher füllen würde, ohne einen Konsens zu finden.

Irgendwann kamen dann auch in Europa Brauer, und solche, die sich dafür halten, auf den Gedanken, mal andere Biere zu brauen. Der Unterschied war nur: Die Mitteleuropa, speziell in Deutschland, Tschechien, Belgien oder Österreich, ist die Bierauswahl traditionell und sowieso schon gigantisch groß. Viele Brauereien, noch mehr Sorten, hohe Qualität, und das zu einen Preisniveau, das nicht viel Luft nach unten lässt. Wo will man da reinstoßen, marketingtechnisch?

Nun sind wir beim Thema.

Denn eines kann man sicher sagen: Es gibt in Deutschland mittlerweile viele sehr gute Craftbiere. Schlechte natürlich auch. Aber wer kauft diese Biere? Und wo? Ein ganz großes Dilemma dieser ganzen Craftbier-Szene ist nämlich: Die Leute, die sich am Meisten dafür interessieren, die echten Bier-Nerds, sind immer weniger bereit, mehr Geld für diese Craftbiere auszugeben. Man kennt sich ja aus, hat seine Connections, ist mit manchem Brauer auf Du und Du, warum soll man da zum Händler gehen, der eventuell noch Geld verdienen will. GELD! VERDIENEN! Das scheint unmoralisch zu sein, denn seit ihren Anfängen umweht die Craftbier-Szene in Deutschland der Ruch des unbeschwerten Idealismus. Ideale sind wichtig, wenn man sie sich leisten kann. Aber ohne Geld zu verdienen, wird über kurz oder lang auch die idealistischste Brauerei dicht machen. Und die Händler gleich dazu. Dabei braucht man Investoren, um nicht nur in die Technik, sondern auch und ganz besonders in den Vertrieb zu investieren.

Was mich dabei besonders stört, ist die Wertung vieler Bier-Nerds in gutes und schlechtes Geld. Wenn das Geld z.B. von einer größeren Brauerei kommt, ist es mal gleich schlecht. Als ob Geld eine Moral besäße! Geld von Banken wird erstaunlicher Weise nie auf diese Weise diskutiert, dabei halte ich das Gebaren der meisten Geldinstitute für erheblich fragwürdiger als das der Brauereien.  

Unterm Strich läuft das meines Erachtens auf eine Entwicklung hinaus, die der ganzen Bewegung nicht gut tut, und sogar ihr Ende einläuten könnte.

Denn die Fakten sind:

  • Traditionelles Bier ist gut und günstig.
  • Craftbier ist oft gut, aber selten günstig.
  • Traditionelles Bier hat gute Vertriebsstrukturen, gibt es in jedem Geschäft und an jeder Tankstelle.
  • Craftbier gibt es oft nur beim Spezialisten, selten im Supermarkt und noch weniger an der Tankstelle.

Daher meine Schlußfolgerung:

Wenn Craftbier überleben möchte, muss es sich schnell an das traditionelle Bier anpassen, denn so sind die Verbrauchergewohnheiten nun mal. Entweder beim Preis oder beim Vertrieb. Vertrieb ist wohl einfacher. Aber dazu müssen die echten Bierfans mit guten Beispiel voran gehen. Und da sehe ich noch viel Luft nach oben…

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