Bierzauberers Haberdashery Nr. 3: Neues aus der Zone

Nein, nicht was Sie jetzt denken! Es geht mitnichten um dieses verkorkste Jubiläum, die dreißig Jahre, die seit dem Glücksfall des Mauerfalls vergangen sind.

Mich beschäftigt ein anderes Z-Wort, das mir in letzter Zeit des Öftern beim Lesen unter gekommen ist: Die Komfortzone. Ein ziemlich neues Wort, glaube ich. Zumindest bis vor Kurzem nicht sehr gebräuchlich. Was genau darf ich mir nun darunter vorstellen? Grundsätzlich stelle ich mir unter „Komfortzone“ etwas Positives vor. Da bekomme ich Bilder in den Kopf von einer gemütlichen Couch, einem spannenden Buch, dem Duft nach Tee, eventuell einer Packung Kartoffelchips daneben liegend. Oder ein schön gedeckter Nachmittagstisch mit Kuchen, Kaffee und Familie. Genau: Rundum positiv. Was mich aber nun irritiert, ist die unzweifelhaft negative Konnotation, die dieses Wort derzeit erfährt.

Denn alle Menschen, von denen ich lese und die dieses Wort verwenden, wollen raus. Raus aus der Komfortzone. Man setzt sich aufs Fahrrad und fährt einfach mal so fünftausend Kilometer die Panamericana lang. Oder quält sich durch einen zerstörerischen Dreifach-Triathlon. Oder wandert von Sizilien zum Nordkapp. Gibt seinen bequemen Beamtenjob auf, um sich endlich den Traum von der Selbstständigkeit zu erfüllen.

Hauptsache: Raus aus der Komfortzone!

Es ist etwa 40.000 Jahre her, seit der Mensch begann, das zu entwickeln, was wir heute „Zivilisation“ nennen. Auch die Sesshaftwerdung, die so genannte Neolithische Revolution, im Rahmen dieser Zivilisationswerdung, war nichts anderes als ein wichtiger Schritt, eine vernünftige Komfortzone zu entwickeln. Zur weiteren Entwicklung gehörten dann Dinge wie Schrift und Sprache, Ackerbau, Reduzierung der Kindersterblichkeit, Bekämpfen von Krankheiten, Erhöhung der Lebenserwartung, ungeheure Fortschritt in Technik, Medizin und Wissenschaft, der Buchdruck, die Entwicklung des perfekten Schnitzels, das Fernsehen, Horst Seehofer, Andrea Nahles und Annegret Kramp-Karrenbauer. Gut, auch die AfD gehört leider in diesen Kontext, aber nicht in den Bereich „Komfort“. Es geht dabei vorrangig um Wohlstand. Und materielle Sicherheit.

Uns geht es so gut wie nie zuvor. Wobei sich die Anzeichen verdichten, dass bald sowieso Schluss ist mit Lustig, mit Schnitzeln und SUVs sowieso, aber auch mit anderen, bislang unverdächtigen Vergnügungen. Und das wollen diese Leute noch freiwillig beschleunigen? Auch mir ist klar, dass es Einschränkungen geben wird und muss, dazu brauche ich keine „Fridaysforfuture“-Bewegung. Und das ist auch OK, denn wir haben Schaden angerichtet, dessen Begrenzung auch die Pflicht unserer Generation ist, und nicht nur der von Greta Thurnberg. Aber dennoch ist deren Anliegen ein anderes. Auch wenn es vielleicht unfair klingt, man kann diese Komfortzonenhasser und -verlasser im Grunde nämlich in einen Topf werfen mit all den Rechtspopulisten, die in Europa derzeit für Unruhe sorgen. Denn eines haben sie alle gemein: Sie wollen die Zeit zurück drehen. Freiwillig. Die einen aus persönlichen Motiven, die anderen aus politischen. Gut ist keines davon, denn letzten Endes stellt das Alles viele unserer zivilisatorischen Errungenschaften in Fragen. Und davon haben viele NICHTS mit dem Klimawandel zu tun, sondern mit – eben: Komfort.

Und, damit eines klar ist: Ich mag meine Komfortzone! So lange es noch geht…

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